Alle Rechte Vorbehalten

Aus dem Buch "Liebevolle Suche nach dem verlorenen Diener" von Srila Sridhara Maharaja


Das Absolute kann also nicht aufgrund irgendeiner Qualifikation unsererseits ergriffen werden. Derjenige wird Ihn erkennen, der von Ihm zu dieser Erkenntnis erwählt worden ist. In den Upanisaden wird das erklärt: Er kann nicht durch Lehre oder Diskussionen erkannt werden, noch durch gutes Erinnerungsvermögen oder große Intelligenz, und auch nicht durch Genialität oder übernatürlichen Intellekt. Man mag lange alle offenbarten Schriften studiert haben, doch das qualifiziert nicht zur Erkenntnis. Krsna behält alle Unabhängigkeit auf Seiner Seite. Es gibt nur einen Weg, auf dem Er erkannt werden kann: wen Er dazu erwählt, der kann Ihn erkennen. Ansonsten sind alle Rechte Seinem süßen Willen vorbehalten.

Wie können wir Seinen süßen Willen an uns ziehen? Das ist die Frage. Wie können wir uns an Seinen süßen Willen heranmachen? Das kann nur durch saranagati, vollständige Hingabe, bewerkstelligt werden, indem wir also unsere negative Seite stärken. Wir müssen denken: "Ich bin so arm; ohne Deine Gnade kann ich nicht leben." Wir müssen so denken, denn es bedeutet den Versuch, Mitleid in Seinem Herzen zu erwecken. Wir müssen an Sein Verständnis unserer großen Not appellieren, dass es uns nicht möglich sei, ohne Ihn zu leben. Solch ein aufrichtiges Gefühl der inneren Notwendigkeit kann allein Seine Aufmerksamkeit auf uns ziehen. Darüber hinaus besitzen wir keine Möglichkeit, Seiner habhaft zu werden. Deshalb ist die negative Herangehensweise empfohlen worden. Unser Gebet geht alleine dahin, uns als die Bedürftigsten und Aufrichtigsten zu zeigen. Nur das kann uns Seiner Aufmerksamkeit versichern. Und das ist keine Meinung oder eine Spekulation, es ist eine Tatsache. Es ist eine Wirklichkeit.

In Badarikasrama traf ich einmal einen gelehrten sannyasi, der in einer Diskussion die Rolle des Atheisten spielte. Er argumentierte folgendermaßen: "Welchen Beweis haben wir für die Existenz Gottes oder der Seele?"

Ich erläuterte ihm, dass, obwohl atma, die spirituelle Seele, aus sich selbst scheint, es einen andauernden Streit zwischen den gegnerischen Lagern gebe. Eine Partei sagt: "Gott existiert!" Die andere sagt: "Gott existiert nicht!" Das Srimad-Bhagavatam sagt, der atma leuchte aus sich selbst. Doch noch immer finden wir Gruppen von Menschen, die sagen: "Er existiert, wir sehen Ihn, Er kann gesehen werden", während andere sagen: "Er hat niemals existiert." Dieser Streit kennt kein Ende, weil eine der Parteien nicht das Auge, das Vermögen besitzt, zu sehen, was selbstverständlich ist. Dieser Streit hat keinen Sinn, er ist eine Verschwendung von Zeit, dennoch wird er niemals aufhören. Er wird immer weitergehen. Warum? Weil es da jene gibt, die das Auge besitzen, Gott zu sehen, und jene, die Ihn oder ihr eigenes Selbst nicht sehen können. Eines dieser Lager sind Menschen, die vom Gott-Bewusstsein abgekommen sind. Es gibt eine Schranke zwischen ihnen und dem Gott-Bewusstsein, zwischen ihnen und dem Bewusstsein des Selbst. Deshalb wird diese Meinungsverschiedenheit nur aufgrund ihrer Unwissenheit fortfahren zu existieren.

Jene, die Augen besitzen, zu sehen, werden sagen: "Die Sonne existiert. Es gibt die Sonne." Und die ohne Augen werden sagen: "Nein, da ist keine Sonne." Diese Diskussion wird niemals ein Ende finden, was nicht bedeutet, dass die Sonne nicht existiert. Sie kann sich zeigen.

Es gibt eine Analogie hierzu. Ein Junge wird in einem dunklen Kerker geboren. Er wächst dort auf, ohne Sonnenlicht gesehen zu haben. Einer seiner Freunde von außerhalb des Kerkers kommt ihn regelmäßig besuchen. Eines Tages sagte der Freund: "Lass uns die Sonne betrachten. Komm mit mir, ich werde sie dir zeigen." Der Junge erwiderte: "Ja, lass uns gehen." Doch er schickte sich an, die Laterne mit sich zu nehmen. Sein Freund bemerkte, dass es nicht notwendig sei, die Laterne mitzunehmen. Der Junge aber sagte "Was sagst du da! Denkst du ich bin ein Narr? Kann man denn ohne Laterne etwas sehen? Ich bin doch nicht dumm!" Dann zog der Freund ihn an der Hand nach draußen und zeigte ihm die Sonne. Der Junge sagte: "Das also ist die Sonne! In ihrem Licht kann man alles sehen."

Genauso ist die Seele, genauso ist Gott. Er wird durch Sein eigenes Licht wahrgenommen, und nur durch Sein Licht können wir etwas sehen. Er scheint aus Sich Selbst. Durch Sein Licht kann Er Sich anderen zeigen. Er ist die Ursache allen Wissens. Das ist die rechte Auffassung von Gott. Er existiert aus Sich Selbst. Er kann von unserem Wissen nicht wahrgenommen werden, ebensowenig wie die Sonne mit Hilfe eines anderen Lichts gesehen werden kann. Es ist nicht nötig zu versuchen, Gottbewusstsein durch den Intellekt oder durch Wissen zu erlangen. Das Wissen über Gott ist unabhängig. Es kann kommen und gehen, wie es will. Und wenn Er zu mir kommt, kommt alles zu mir. Nichts jedoch kann Ihn dazu zwingen, in meinen Wahrnehmungsbereich zu kommen. Die Sonne kann nicht in deinen Kerker mitgenommen werden, sondern du musst zur Sonne gehen und dann kannst du die Dinge durch ihre Gnade sehen. In gleicher Weise ist der Herr aus-sich-selbst-leuchtend. Er kann nur durch Sein eigenes Licht gesehen werden.

Intellektualität macht untauglich. Wir sind an jnana-sunya-bhakti interessiert, an Hingabe frei von Wissen. Zuneigung, Anziehung, Mitgefühl - diese Dinge kommen, weil wir ein Herz besitzen. Die Wissenschaftler glauben, Tiere hätten kein wirkliches Gehirn, keine Intelligenz. Doch sehen wir, dass ein Tier sogar mit weniger Gehirn leben kann, aber ohne Herz kann niemand leben. Da das Gehirn eine Art von Computer ist, besitzen die Tiere keinen wirklichen Computer, um die Dinge zu berechnen. Tiere mögen einem intuitiven Erkennen folgen, sie können auf eine unbewusste Weise funktionieren. Und wir stellen oft fest, dass Intuition die Berechnungen eines Gehirns übertreffen kann. Viele Vögel und Bodentiere begreifen, dass ein Erdbeben bevorsteht, doch keine menschliche Kalkulation kann bisher genau vorhersagen, ob ein Erdbeben kommen wird. Es gibt vieles, was unser Gehirn nicht fühlen, nicht erfassen kann, während sogar die Tiere eine Ahnung davon haben können. Und selbst nach langer tiefgehender Forschung können die Menschen nicht herausfinden, was jenseits ihres Verstandes liegt. Die Stellung von Verstand und Intellekt wird im Srimad- Bhagavatam (10.14.3) erläutert:

"Indem wir angewidert alle intellektuellen Versuche aufgeben, müssen wir einen Geist der Hingabe und Unterwerfung in uns pflegen und versuchen, unsere Leben in Berührung mit Dingen zu leben, die dem Herrn angehören. Das heißt natürlich nicht irgendwelche Dinge, die mit dem Herrn zu tun haben, sie müssen einer authentischen Quelle entstammen. Und es spielt keine Rolle, in welcher Position wir uns gegenwärtig befinden. Wer von ganzem Herzen versucht, den Lehren Seiner göttlichen Vertreter in Gedanken, Worten und Taten zu folgen, der kann Ihn erobern, der sonst unbesiegbar ist."

Das ist der Pfad der Verwirklichung, wie er vom Srimad-Bhagavatam (10.14.4) empfohlen wird, welches den Pfad intellektueller Errungenschaften verwirft.

"O Herr, jene, die Dich mit ihrem Intellekt zu begreifen versuchen, versagen. Ihre Mühe endet bloß in Enttäuschung, wie die jener, die versuchen, Reis aus einer leeren Hülse zu schlagen."

Deshalb ist jnana, Wissen, wie eine leere Hülse. Energie und Wissen stellen nur äußere Aspekte dar. Die wirkliche Substanz, der Reis, ist die Hingabe, die Liebe. Das ist das Köstliche im Innern. Andere Dinge sind nur Hüllen (jnana-karmady-anavrtam). Aber was sich innerhalb der Hülle verbirgt, ist ewig, glückbringend und schön: satyam, sivam, sundaram. Schönheit ist Wirklichkeit, Glückseligkeit ist Wirklichkeit; alles andere ist nur eine äußere Hülle. Wenn wir uns zu sehr mit der Hülle abgeben, bekommen wir die Substanz im Innern nicht. Dann wird unser Leben zu Enttäuschung führen: Srimad-Bhagavatam 1.5 .12

"Bloßer Rückzug kann nicht als die Erfüllung eines Lebens betrachte werden. "Obwohl im Zustand der Befreiung keine Verunreinigung durch Tod, Geburt, Krankheit und Gebrechlichkeit festzustellen ist, kann diese dennoch nicht als Vollkommenheit angesehen werden. Ganz zu schweigen von karma, einem Leben voller Arbeit, solange dieses nicht darauf abzielt, Krsna zufriedenzustellen."

Das einzige, das in Arbeit wie in Ruhe Erfüllung bringen kann, das ist Krsna: Er ist jenes Prinzip, das beide in Einklang bringt. Wenn Arbeit als Dienst an Krsna vollbracht wird, dann wird unsere Arbeit zu Gold; sie bleibt nicht länger Eisen. Und nur wenn Entsagung mit göttlichem Dienst verbunden ist, besitzt sie einen Wert.

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